Schulter-Engpass mit schmerzhaften Folgen - das Impingement-Syndrom
Verspüren Sie Schmerzen beim Anheben der Arme? Hat dieser Schmerzreiz sich weiterentwickelt? Ist ein beschwerdefreies Einschlafen auf Ihrer Schulter für Sie bereits unmöglich geworden? Schulterschmerzen beginnen im Alltag oft schleichend. Doch mit der Zeit können vermeintlich kleine „Wehwehchen“ zu einer ernsthaften Belastung heranwachsen. Die Ursachen für Ihre Schmerzen können vielfältig sein. Ein häufiges Krankheitsbild jedoch ist ein Engpass in der Schulter – das sogenannte Impingement-Syndrom (engl. „Zusammenstoßen“). In diesem Artikel zeigen wir Ihnen nicht nur, was es damit auf sich hat und wie es zustande kommt, sondern auch welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt und mit welchen Übungen Sie wirkungsvoll gegensteuern können.
Das Schultergelenk
Schulterschmerzen gehören zu den dritthäufigsten muskoloskeletalen Beschwerdebildern im orthopädischen Alltag. Oft sind die Schmerzen nicht bedingt durch einen strukturellen Schaden im Schultergelenk (Art. Glenohumeralis), sondern sind das Ergebnis eines funktionellen Engpasses inmitten des Schulterdachs, welches vom Schulterblatt (Scapula) und dem Kopf des Oberarmknochens (Caput humeri) gebildet wird. Hierbei kommt es zu schmerzhaften Einklemmungen der Weichteile, welche zwischen Schulterdach und Oberarmknochen liegen. Die gereizten Strukturen sind vor allem Sehnen der Schultermuskulatur (zusammengefasst unter dem Begriff „Rotatorenmanschette“) und der Schleimbeutel (bursa subacromialis) im Schultergelenk.
Der Muskel, welcher am häufigsten bei einem Impingement-Syndrom betroffen ist, ist Teil der Rotatorenmanschette. Es handelt sich dabei um den m. supraspinatus, den Obergrätenmuskel, welcher mit seiner Sehne genau zwischen dem Oberarmknochen und dem Schulterdach (Acromion) verläuft. Der Raum zwischen Schulterdach und Oberarmknochen (subacromialer Raum) ist ohnehin anatomisch recht klein. Beim Heben des Armes verengt sich dieser Raum physiologischerweise noch mehr, allerdings ohne die Strukturen zu bedrängen. Um die Sehne des M. supraspinatus zu schützen und den Druck zwischen den beiden Knochenstrukturen abzupuffern, liegt über der Sehne der Schleimbeutel (Bursa subacromialis). Dieser ist beim Impingement-Syndrom häufig mitbetroffen und entzündet sich durch die Reizung. Mediziner sprechen dann von einer bursitis subacromialis.
Ursachen
Wenn der oben beschriebene subacromiale Raum durch eine Pathologie noch stärker verengt ist, spricht man vom Engpass (Impingement-Syndrom) zwischen Schulterdach und Oberarmknochen. Die daraus resultierende schmerzhafte Entzündung der eingeklemmten Weichteile kann bei verschiedenen Arten des Impingement-Syndroms durch folgende Ursachen zustande kommen:
- FEHLHALTUNG IM ALLTAG: Diese Ursache ist die häufigste für die Ausbildung eines Impingement-Syndroms. Hierbei sind die Muskeln der Rotatorenmanschette zu schwach und können den Oberarmknochenkopf nicht ausreichend in seiner Gelenkpfanne zentralisieren.
Eine häufig problematische Haltung ist die sogenannte Inklinationshaltung, bei der der Rumpf nach vorne gebeugt gehalten wird, meist in Kombination mit hoch- und nachvornegezogenen Schultern. Dies ist beispielsweise bei stundenlanger PC-Arbeit der Fall und geht mit einer einseitigen Belastung des Schultergürtels einher. Schulternackenmuskulatur, Schulterkappenmuskel (M. deltoideus) und vor allem der große und kleine Brustmuskel (M. pectoralis major und minor) sind durch die angenäherte (angezogene) Haltung verspannt, ziehen in Folge dessen die Schulter nach oben vorne und damit unter das Schulterdach. Es kommt zum Einklemmungsschmerz in den Strukturen zwischen Oberarmkopf und Schulterdach. - KNÖCHERNES IMPINGEMENT: Das Schulterdach, welches vom Acromion gebildet wird, kann genetisch bedingt in eine hakenförmige Ausstülpung verformt sein oder sich durch kleine knöcherne Anbauten (sogenannte Osteophyten) degenerativ in seiner Form verändern. Durch die entstandene Verdickung am Acromion bei einer Schultereckgelenksarthrose ist der Raum zwischen Schulterdach und Oberarmkopf verkleinert. Die Strukturen werden daraufhin gereizt und entzünden sich.
- SPORT: In diesem Fall tritt eine Instabilität des Schultergelenks durch sportlich bedingte, zu einseitige Belastungen auf. Dies ist oft sportartspezifisch und kann zum Beispiel durch Wurfsportarten geschehen. Hierbei bewegen sich Arm und Schulter bei Ausholbewegungen oft in Außenrotation und nur selten in die Gegenrichtung, die Innenrotation (man spricht dann entsprechend der Lokalisation der Einklemmung von einem posteriorsuperioren Impingement).
Andersherum ist es beispielsweise bei Schwimmern. Diese ziehen den Arm zum Kraulen vermehrt unter Krafteinfluss in Innenrotation (anterosuperiores Impingement). Auch bei dieser Pathophysiologie kommt es zu einer Fehlbelastung im Schultergelenk. Die Muskeln um die Schulter herum werden ungleich trainiert und Strukturen um das Gelenk werden durch eine mögliche Dezentrierung des Oberarmkopfes am Pfannenrand des Gelenkes schmerzhaft eingeklemmt.
Symptome
Zu dem Beschwerdebild des Impingement-Syndroms gehören:
- Schmerz, meist vorderseitig lokalisiert oder oben an der Schulter, eventuell verbunden mit leicht ausstrahlenden Schmerzen im Oberarm
- Verstärkung des Schmerzes abhängig von Bewegungen des Armes, vor allem das Heben des Armes über 90 Grad nach vorne oder zur Seite (oft in Kombination mit einer Außenrotation)
- Nächtlicher Schmerz beim Liegen auf der betroffenen Schulter
- Eingeschränkte Mobilität der Schulter, insbesondere die Rotationsrichtungen
Selbsttest zum Impingement-Syndrom für Zuhause
Painful Arc (>Impingementzeichen, „Schmerzhafter Bogen“)
Bei diesem Test stehen Sie aufrecht im Raum, die Füße sind etwa schulterbreit aufgestellt und die Arme hängen in der Ausgangsposition locker am Körper herunter. Nun führen Sie die Arme über die Seite gestreckt nach oben, bis sich die Hände berühren. Wichtig dabei ist, dass Sie die Arme in leichter Außenrotation halten. Das bedeutet, die Daumen zeigen Richtung Decke.
Beurteilung des Tests: Haben Sie bei der Armhebe-Bewegung Schmerzen zwischen ca. 60 und 120 Grad, handelt es sich um ein klassisches Impingement-Syndrom.
Schmerzt die Bewegung nur am Ende, kurz bevor sich die Hände berühren, ist eher an eine Schädigung des Schultereckgelenks, des Acromioclaviculargelenkes, zu denken.
Wenn es zu Schmerzen auf dem gesamten Bewegungsweg kommt oder die Bewegung gar nicht möglich ist, sollte auf andere Funktionsstörungen des Schultergelenks (Art. Glenohumerale) wie zum Beispiel eine Arthrose oder Arthritis untersucht werde. Auch die Spätfolge eines Impingement-Syndroms, die sogenannte „Frozen Shoulder“ wäre bei einer starken Bewegungseinschränkung denkbar.
Therapie
In den meisten Fällen des Impingement-Syndroms an der Schulter wird, begleitend zu physiotherapeutischen Maßnahmen, der konservative Weg der Therapie eingeschlagen. Bei dieser werden Schmerzmedikamente eingesetzt, die Ihr Orthopäde Ihnen zur Behandlung verschreiben kann. Außerdem kann ihr Arzt Sie mit Cortisonspritzen therapieren, um die Entzündung im Bereich des Impingements zu lindern.
Falls die Schmerzen sich über einen Zeitraum von mehr als 4 Monaten nicht bessern, es sich bereits um größere Kalkablagerungen an der Supraspinatussehne handelt oder eine Arthrose des Acromioclaviculargelenkes festgestellt wurde, kann auch eine arthroskopische Operation sinnvoll sein.
Wichtig für die schnelle Genesung sowie die Erhaltung und Wiederherstellung der Funktion des Schultergelenks ist aber in erster Linie die Physiotherapie. Nach einem eingehenden Befund in Folge der Untersuchung Ihrer Schulter werden Ihnen in der Therapie vor allem Übungen erklärt und für Sie angeleitet, die Ihre Symptome im Alltag lindern und kurieren sollen. Auch kurzzeitige Eisbehandlungen können zur Schmerzlinderung herangezogen werden und werden von ihrem Orthopäden meistens in Kombination mit einer Physiotherapie verschrieben.
Vier einfache Übungen gegen das Impingement-Syndrom
1. Dehnung der Schulter
Bei der ersten Übung starten Sie im Vierfüßlerstand und strecken die Arme nach vorne. Legen Sie die Arme etwas mehr als schulterbreit vor sich auf dem Boden ab. In dieser Position sollten Sie eine leichte bis starke Dehnung vorne an Ihrer Schulter und im Brustbereich spüren. Halten Sie die Position etwa 60 Sekunden. Um die Dehnung zu verstärken, können Sie im Laufe der Zeit noch etwas weiter mit den Händen nach vorne wandern.
2. Armpendeln
Die zweite Übung entlastet den verengten subacromialen Raum und wirkt somit schmerzlindernd. Stellen Sie sich in eine Schrittstellung auf und nehmen Sie auf der betroffenen Schulterseite ein leichtes Gewicht in die Hand, beispielsweise eine kleine, gefüllte Wasserflasche. Lehnen Sie den Oberkörper nach vorne und lassen Sie den Arm locker herunterhängen, sodass ein leichter Zug nach unten am Schultergelenk zu spüren ist. Aus dieser Position schwingen Sie den Arm sanft vor und zurück. Die Übung führen Sie 60-120 Sekunden lang aus und können sie mehrfach am Tag wiederholen
3. Training der Rotatorenmanchette
Die dritte ist eine Kräftigungübung für Ihre Schultermuskulatur. Starten Sie in Seitlage, die Beine liegen leicht angewinkelt vorne ab und die betroffene Schulter liegt oben auf ihrem Körper auf. Nehmen Sie ein gerolltes Handtuch oder ein kleines Kissen und legen Sie es zwischen Ihren Oberarm und die Seite ihres Körpers. Drücken Sie es leicht zusammen, damit ihr Ellenbogen und ihr Oberarm während der Übung an ihrem Rumpf fixiert bleiben. Nehmen Sie nun ein leichtes Gewicht in die Hand (eine kleine Wasserflasche beispielsweise reicht völlig aus), winkeln Sie den Ellenbogen etwa 90 Grad an und lassen Sie den Unterarm bis zu ihrem Bauch sinken. Nun starten Sie aus dieser Position und heben den Unterarm aus der Kraft ihrer Schultermuskulatur heraus Richtung Decke (Bild 2). Führen Sie ihn anschließend langsam wieder in die Ausgangsposition zurück. Wiederholen Sie diese Übung 10-12 Mal für 3 Sätze.
4. Mobilisation der Brustwirbelsäule mit der Faszienrolle
Die vierte Übung ist eine sehr wichtige Übung. Hier arbeiten wir an der Mobilität der Brustwirbelsäule um den Arm zu entlasten. Legen Sie sich dazu mit dem oberen Rücken auf Ihre Faszienrolle und bringen Sie beide Arme über den Kopf. Seien Sie dabei mit Ihrem betroffenen Arm vorsichtig und mobilisieren Sie nur im schmerzarmen Bereich. Halten Sie die Endposition für ca. 30 Sekunden. Wiederholen Sie die Übung für insgesamt 3 Sätze á 30 Sekunden.
Wissenschaftliche Ergebnisse zur Behandlung des Impingement-Syndroms
Vergleicht man Studien zur Behandlung des subacromialen Impingement-Syndroms in den letzten Jahren, in welchen Patienten hinsichtlich der Therapieergebnisse nach konservativer Therapie (Physiotherapie und physikalische Therapie) und operativer Therapie untersucht wurden, stellt man fest, dass die operative Therapie grundsätzlich keine Vorteile gegenüber der konservativen Therapie oder bessere Ergebnisse als diese erzielte.
Dies zeigte auch das auf Pubmed veröffentlichte Cochrane-Review zum Thema „Subacromial decompression surgery for rotator cuff disease“ („Operative subakromiale Dekompression zur Behandlung des Rotatorenmenschettensyndroms“). In diesem Review wurden Vor- und Nachteile der operativen gegenüber der konservativen Versorgung der Studienteilnehmer mittleren Alters (etwa 45 Jahre) mit einem Impingement-Syndrom verglichen.
Das Ergebnis: Die Operation in Form einer subacromialen Dekompression (athroskopische OP) zeigte im Vergleich zu nicht-chirurgischen Eingriffen, wie z.B. der Physiotherapie, keine signifikanten Verbesserungen bezüglich der Schmerzen, Funktionalität und gesundheitlichen Lebensqualität.
Allerdings berichteten Patienten von Schmerzen und Einschränkungen des Schultergelenks von bis zu einem Jahr mit der deutlichen Tendenz der Besserung in der Nachbeobachtung von 2 Jahren.
Das bedeutet für Sie
Ihr Impingement-Syndrom ist heilbar und hat sehr gute Chancen, auch ohne Operation zu genesen. In unserer Physiotherapie zeigen wir Ihnen gern individuelle Strategien und Behandlungsmöglichkeiten, um eine möglichst schnelle, nachhaltige und erfolgreiche Heilung Ihrer Schulter zu erreichen.
Quellen
Urwin M, Symmons D, Allison T, et al.: Estimating the burden of musculoskeletal disorders in the community: the comparative prevalence of symptoms at different anatomical sites, and the relation to social deprivation. Ann Rheum Dis 1998; 57: 649–55 CrossRef MEDLINE PubMed Central
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