Der Tennisellenbogen – Weit mehr als ein Problem unter Sportler*innen
Ein weit verbreitetes Übel …
Etwa 1-3 % der Weltbevölkerung leiden in ihrem Leben unter Schmerzen an der Außenseite der Ellenbogen. Meistens sind die Patient*innen in einem Alter von 35-54 Jahren. Bei dieser weiten Verbreitung ist der sogenannte Tennisellenbogen ein Problem, das mehr Aufklärung bedarf und über das viel häufiger gesprochen werden muss.
Was ist ein Tennisellenbogen oder Tennisarm eigentlich genau?
Kreisen wir dieses Krankheitsbild einmal medizinisch ein: Laut Definition spricht man bei einem Tennisellenbogen (in der Fachsprache als „laterale Epikondylopathie“ bezeichnet) von einer Muskel-Skelett-Erkrankung, die durch Schmerzen über dem lateralen Epicondylus des längsten Knochens der oberen Extremitäten, dem Humerus, gekennzeichnet ist. Der Schmerz wird durch die Belastung der Handgelenksextensoren noch verstärkt und geht mit einer reduzierten schmerzfreien Greifkraft einher.
Entwicklung und Risikofaktoren eines Tennisellenbogens
Wie eingangs bereits erwähnt, leiden sehr viele Menschen im Laufe Ihres Lebens unter diesem Krankheitsbild. Eine signifikante Besserung erfolgt bei 85-90 % der Betroffenen innerhalb eines Jahres. Allerdings klagen 1/3 aller Patient*innen auch nach einem Jahr trotz Interventionen weiterhin über entsprechende Beschwerden.
Ein höheres Risiko an einem Tennisellenbogen zu erkranken zeigen beispielsweise:
- bestimmte Berufsgruppen (wie Handwerker)
- Menschen, die ausgewählte Sportarten ausüben (wie der Name bereits verrät zum Beispiel Tennisspieler*innen oder Golfer*innen)
- oder Männer und Frauen unter dem Einfluss entscheidender Lebensstilfaktoren (wie das Rauchen).
Eine schmerzhafte Veränderung im Bereich der gemeinsamen Ursprungssehne der Unterarmstrecker haben alle Patient*innen dabei gemeinsam, egal welcher Risikofaktor der Erkrankung zugrunde liegt.
Ein Krankheitsbild mit Forschungspotential
Bei allen Fakten, die rund um den Tennisellenbogen vorliegen, herrscht doch Unklarheit in zwei essentiellen Bereichen:
- Zum einen in der Pathophysiologie. Dies ist die Lehre, die sich mit krankhaft veränderten Körperfunktionen, deren Entstehung und Entwicklung beschäftigt. Unter diesem Betrachtungshintergrund weiß man nach wie vor nicht zu 100%, worum genau es sich beim Tennisellenbogen handelt.
- Zum anderen besteht noch Unklarheit bezüglich der Therapiemethoden. Zwar gibt es mehrere Untersuchungen und Ansätze diesbezüglich, doch eine wirklich verlässliche und allgemeingültige Leitlinie liegt bisher nicht vor.
Was ist bisher über den Tennisellenbogen bekannt
In erster Linie kann man sagen, dass es sich beim Tennisellenbogen um eine degenerative Erkrankung handelt, bei der die Heilungsantwort im entsprechenden Gewebe versagt. Eine wiederholte Belastung sorgt für einen Gewebeschaden, welchem keine ausreichende Heilungszeit gegeben wird. Die von den meisten Patient*innen und Ärzt*innen in erster Instanz angewendete Ruhephase sorgt oftmals allerdings eher für eine Intensivierung der Schmerzsymptome als für Entlastung und Besserung.
Die Therapie eines Tennisellenbogens!
Klar ist: Für eine Sehnenreparatur ist Training und gezielte Belastung unter geschulter Anleitung die ideale Vorgehensweise. Nun ist es jedoch so, dass durch bildgebende Verfahren gezeigt wird, dass die Sehnenpathologie und die Schwere der Erkrankung nicht immer zusammenpassen. Es ist deshalb unabdingbar, die Veränderung des Schmerzsystems und die Beeinträchtigung des motorischen Systems mit zu berücksichtigen.
Unter der Betrachtung dieses komplexen Zusammenspiels kann man sagen, es handelt sich beim Tennisellenbogen um eine primäre Störung des Nervensystems durch eine abnorme Zunahme der neuronalen Aktivität. In deren Folge kommt es zu einem Verlust der Homöostase (Fähigkeit zur Umsetzung selbstregulierender Prozesse) der Nozizeptoren (dienen der Wahrnehmung von Schmerz) durch mechanische und psychosoziale Faktoren. Dies wirkt sich sekundär auf das muskuloskelettale Gewebe des Ellenbogen-Unterarm-Hand-Komplexes aus.
Wie erfolgt die Diagnose eines Tennisellenbogens?
Wie oben bereits beschrieben, haben alle Patient*innen einen Schmerz an der Außenseite des Ellenbogens gemeinsam. Als Therapeut*in lässt sich dies am lateralen Epicondylus des Unterarms palpieren, also durch gezieltes Betasten feststellen. Des Weiteren lässt sich eine verminderte Griffkraft aufgrund der Schmerzen mittels eines Hand Dynamometers messen. Mittels Federdruck nimmt es zuverlässig die Messung der Handkraft des Patienten / der Patientin vor.
Aber dem Therapeuten / der Therapeutin stehen noch mehrere weitere Tests zur Verfügung:
- COZEN´S: Widerstand gegen Dorsalextension im Handgelenk, also die Streckung dem Handrücken entgegen.
- MAUSDLEY´s: Widerstand gegen die Mittelfingerstreckung.
- POLK: Greifen eines Objekts.
Zudem sollte auch das Bewegungsausmaß im Handgelenk und im Ellenbogen im Seitenvergleich getestet werden. Aufgrund der eher diffusen Schmerzen im Unterarm sollte zusätzlich eine Beteiligung der Halswirbelsäule bzw. der Brustwirbelsäule über eine neurologische und neurodynamische Untersuchung ausgeschlossen werden.
Was für Therapieoptionen gibt es?
An erster Stelle steht die Edukation des Patienten / der Patientin. Diese besteht in erster Instanz aus einer genauen Diagnose und dem Einkreisen der Schmerzursache. Daraufhin folgt die Ermittlung des Verlaufs der Erkrankung. Und schließlich: Was hilft bzw. wie kann der Patient / die Patientin die Symptomatik selber beeinflussen? Dies zu klären ist das oberste Ziel, sodass die Therapie stets auch selbstständig weitergeführt werden kann.
Entscheidend ist bei diesem Prozess die Wiederherstellung des gestörten Verhältnisses von Belastung und Belastbarkeit, eventuell mit einer temporären Reduktion von provozierenden Tätigkeiten und Haltungen. Dazu gehören zum Beispiel das Benutzen von bestimmten Werkzeugen, das Tragen von schweren Lasten, Sportaktivitäten mit wiederholten Greifaktivitäten oder intensive Büroarbeit mit Tastatur- und Mausnutzung. In der Trainingstherapie sollten die Handgelenksextensoren außerdem gut trainiert werden.
Doch auch bezüglich der idealen Therapie ist sich die Literatur mit ihren Empfehlungen noch in einigen Dingen uneinig. Dies betrifft vor allem folgende Fragestellungen:
- Was ist die optimale Dosierung während der Therapie?
- Ist die Therapie mit oder ohne Schmerzprovokation am sinnvollsten?
- Sollten die Therapiemethoden konzentrisch, exzentrisch oder isometrisch erfolgen? Und sollten diese jeweils alleine für sich oder als Kombination angewendet werden
Relativ gesichert ist jedoch folgender Ansatz: Wenn trainiert wird, sollte eine Steigerung erfolgen, indem zunächst in Supination (Auswärtsdrehung der Hand) begonnen und dann immer mehr in Extension trainiert wird. Dies ist im Detail und in seiner Ausprägung jedoch nach Beschwerdebild des Patienten / der Patientin individuell zu betrachten.
Des Weiteren wird empfohlen in der kinetischen Kette zu trainieren, also unter Beteiligung verschiedener jedoch durch Gewebe direkt verbundener Gelenke. Oftmals zeigen die Patient*inne im Seitenvergleich eine Schwäche in der oberen Extremität in der ipsilateralen, also der auf derselben Körperhälfte gelegenen Seite.
Bekannt ist auch, dass die Intervention mittels manueller Therapie allein laut Studien nur eine geringe Evidenz zeigt. Der Einsatz von Cortison zeigt langfristig sogar eine Schädigung der Strukturen.
Übungen gegen einen Tennisellenbogen
Wir empfehlen, frühzeitig mit der aktiven Therapie zu beginnen, welche mit manueller Therapie sehr gut unterstützt werden kann. Die schmerzhaften Bewegungsbereiche sollten dabei im Training zunächst vermieden werden. Die Gelenke werden am besten mittels Einwärtsdrehung der Gliedmaßen (Pronation, die Gegenbewegung zur Supination) und Extension (Gelenkstreckung) trainiert. Wichtig ist uns: Es sollte zu keiner bzw. wenn nur zu einer kurzen Schmerzzunahme während oder nach dem Training kommen. Für jede Übung gilt: Wählen Sie ein Gewicht, bei dem Sie 10-15 Wiederholungen mit einer leichten Anstrengung, aber OHNE Schmerz ausführen können.
Übung für die Unterarmdreher:
Nehmen Sie eine Kurzhantel oder auch einen Hammer und drehen Sie Ihren Unterarm bei angewinkeltem Ellenbogen nach innen und nach außen. Eine Wiederholung sollte 6-10 Sekunden dauern.
Krafttraining für die Handgelenksbeuger:
Setzen Sie sich an einen Tisch und positionieren Sie Ihren Unterarm so, dass die Hand über der Tischkante hängt. Die Innenseite des Unterarms zeigt nach oben. Nehmen Sie eine Kurzhantel oder eine Wasserflasche in die Hand und bewegen nun Ihre Hand nach oben und unten ohne den Unterarm vom Tisch zu lösen. Pro Bewegungsweg nehmen Sie sich 6-10 Sekunden Zeit.
Krafttraining für die Handgelenksstrecker:
Gleiche Ausgangsposition wie bei Übung 2, nur dass diesmal die Außenseite des Unterarms nach oben zeigt. Nun bewegen Sie Ihre Hand mit dem Gewicht ebenfalls nach oben und unten, wieder ohne dabei den Unterarm vom Tisch zu lösen. Nutzen Sie pro Bewegungsweg wieder 6-10 Sekunden.
Kinesiotape zur Schmerzlinderung
Eine gute Möglichkeit Ihre Schmerzen zu verringern ist die Anlage von Kinesiotape.
Entscheidend ist jedoch vor allem weitsichtig zu denken, um sie langfristig von Ihren Beschwerden zu befreien. Dies geschieht durch ein fachkundiges Belastungsmanagement. Für Menschen, die vornehmlich eine Bürotätigkeit ausüben, ist auch eine Ergonomieberatung ein wichtiger Teil der Therapie. Diese ist zur Vorbeugung erneut aufflammender Beschwerden beinahe unersetzlich.
Gern unterstützen wir von WIELAND-medical Sie bei diesem Prozess, beraten Sie passgenau und begleiten Sie mit einer individuell auf Sie abgestimmten Therapie. Nehmen Sie gern Kontakt zu uns auf. Wir freuen uns darauf, Ihnen Ihr Leben wieder ein stückweit schmerzfreier gestalten zu können.
Quellen:
- PMS -> J Hand Ther 2020; doi:10.1016/j.jht.2020.02.002
- George, Catilin E., et al. “Sticking to the facts: A systematic review of the effects of therapeutic tape in lateral epicondyalgia.” Physical Therapy in Sport(2019)
- PMS → Wissenswertes zum Tennisellenbogen
- PMS → Die physiotherapeutische Behandlung einer lateralen Epikongylagie Teil 1
- PMS → Die physiotherapeutische Behandlung einer lateralen Epikondylagie Teil 2
- PMS → Diagnostische Tests für einen Tennisarm
- PMS → Laterale Epikondylopathie im BIG PICTURE
- PMS → Exzentrisches Training bei lateraler Ellenbogen Tendinopathie
- PMS → Laterale Epykondylalgie -> Eine Entstehungshypothese
- PMS → Trainingsintervention bei lateraler Epinkondylopathie
- Bordachar, Diego. “Lateral epicondylalgie: A primary nervous system disorder.” Medical hypothesis123(2019): 101-109
- Coombes, Brooke K., Leanne Bisset, and Bill Vicenzino. “Management of lateral elbow tendinopathy: one size does not fit all.”Journal of orthopaedic & sports physical therapy45.11(2015)
- Coombes, Brooke K., Leanne Bisset, and Vincenzino.”a new integrative model of lateral epicondylalgia.” British journal of sports medicine4(2009)
super Artikel, in diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen 🙂
Moin Christopher, das freut uns zu hören!